12.01.2017

Kinder und Jugendliche

1. Spezifische Sprachentwicklungsstörung (SSES)

Bei Kindern mit einer spezifischen Sprachentwicklungsstörung (SSES) liegt eine Beeinträchtigung des Spracherwerbs ohne ursächliche organische, mentale oder emotionale Schädigung vor. 6-8% aller Kinder eines Jahrganges weisen diese Problematik auf, Jungen sind häufiger als Mädchen betroffen. Die Abweichungen von einem altersgemäßen Spracherwerb können sich auf alle oder nur auf bestimmte Sprachebenen wie das Lautsystem, den Wortschatz, die Grammatik oder das Kommunikationsverhalten beziehen. Der Beginn der Störung wird häufig durch das Late-Talker-Profil offensichtlich. Bei diesen Kindern ist die Produktion der ersten Wörter verspätet, die weitere Wortschatzentwicklung verläuft verlangsamt. Ein verzögerter Sprachbeginn ist bereits mit 24 Monaten feststellbar. Häufig setzt bei den Kindern während des dritten Lebensjahres eine Aufholentwicklung ein, geschieht das nicht oder nicht ausreichend, kann im Alter von 3 Jahren eine SSES sicher diagnostiziert werden.

2. Aussprachestörungen (phonetisch-phonologische Störungen)

Bei Aussprachestörungen bestehen Schwierigkeiten, die Laute altersentsprechend korrekt zu bilden und/oder korrekt zu verwenden. Es können einzelne oder mehrere oder auch ganze Lautklassen betroffen sein, die fehlgebildet, ersetzt oder ausgelassen werden. Aussprachestörungen können Folge einer organischen Erkrankung sein (z.B. Hörschädigung) oder ohne nachweisbare organische Ursachen auftreten.
Unterschieden werden:

  1. phonetische Störung = Artikulationsstörung (z.B.Lispeln), d.h. der Laut kann nicht oder nicht korrekt gebildet werden (Sprechstörung)
  2. phonologische Störung = Lautverwendungsstörung, d.h. der Laut kann gebildet werden, wird aber vom Kind nicht richtig verwendet (z.B. Kind meint „Kette“, sagt aber „Tette“ obwohl es den Laut „k“ bilden kann). Hier ist das phonologische Regelsystem betroffen (Sprachstörung)
  3. phonetisch-phonologische Störungen = beide Formen können gemischt auftreten, d.h. die Lautbildung und die Lautverwendung sind betroffen
    Phonetisch-phonologische Störungen können isoliert oder in Verbindung mit Auffälligkeiten auf anderen Sprachebenen (Wortschatz, Grammatik) auftreten

3. Grammatische Störungen

Die Entstehung von Grammatikstörungen ist oft bis in die frühe Phase des Spracherwerbs zurückzuführen. Erste Symptome zeigen sich in einer Verlängerung der Einwortphase, die Kinder beginnen mit ca. 24 Monaten noch keine Wortkombinationen zu produzieren. Auch wenn der Wortschatz anwächst, bleiben grammatische Leistungen im weiteren Verlauf der Sprachentwicklung zurück. Die Symptome sind vielfältig. Es können z.B. einzelne Worte oder Satzteile fehlen oder Satzelemente werden umgestellt. Besonders auffällig ist eine fehlerhafte Verbstellung im Satz noch nach dem 4. Geburtstag.

Die Diagnostik erfolgt im Verdachtsfall, z.B. Früherkennungsuntersuchungen beim Kinderarzt, der Besorgnis der Eltern oder Beobachtungen einer pädagogischen Fachkraft.

4. Sprachentwicklungsverzögerung bei Kleinkindern (Late-Talker)

Welche Kinder sind Late-Talker?
Kinder, die das 2. Lebensjahr vollendet haben und:

  • weniger als 50 Wörter eigenständig sprechen (zum frühen Wortschatz werden auch Wörter wie „nein, hallo, auch…“ gezählt, ebenso Lautmalereien wie z.B. „wauwau“ für Hund)
  • noch keine Zweiwortsätze bilden (z.B. „Papa da, Auto weg…“)

Welche Kinder sind Late-Bloomer (Spätblüher)?
Diese Kinder zeigen zwar im Alter von 24 Monaten die Merkmale einer verzögerten Sprachentwicklung (also sprechen weniger als 50 Wörter und bilden keine Zweiwortkombinationen), holen aber zischen dem 2. und 3. Geburtstag den Rückstand auf. Spätestens ab dem 3. Geburtstag kann eine Sprachentwicklungsstörung sicher diagnostiziert werden.

Hat mein Kind eine Sprachentwicklungsstörung?
Mit der Vollendung des 2. Lebensjahres, lässt sich diese Frage nicht beantworten.

Wenn Ihr Kind weniger als 50 Wörter, keine Zweiwortsätze spricht, empfehlen wir einen Beratungstermin in unserer Praxis. Bitte füllen Sie den kostenlosen Frage- und Beobachtungsbogen zuvor aus.
Ihre wichtigen Beobachtungen aus dem Alltag werden dann durch eine logopädische Untersuchung ergänzt. Inhalte dieser Untersuchung sind:

  • das Zusammenfassen Ihrer Beobachtungen über die Sprache, das Sprachverstehen, das Spiel- und Kommunikationsverhalten Ihres Kindes
  • die Durchführung von standardisierten und/oder bewährten Testverfahren
  • das Einschätzen der aktuellen Sprachentwicklung
  • mit Ihnen über das weitere Vorgehen zu beraten

Mögliche logopädische Unterstützungen:
In Rücksprache mit Ihrem Kinderarzt werden gegebenenfalls regelmäßige Kontrolltermine vereinbart. Aber auch die Aufnahme einer logopädischen Behandlung und/oder eines Elterntrainings zur gezielten Sprachförderung (Heildelberger Elterntraining) sind möglich.

Was geschieht bei den Kontrollterminen?
Bei den Terminen erfolgt:

  • die sorgfältige Dokumentation der sprachlichen Weiterentwicklung Ihres Kindes
  • der Austausch über die Sprachentwicklung
  • sprachfördernde Ideen für den häuslichen Alltag
  • gegebenenfalls die Entscheidung zu treffen, nun doch die Therapie und/oder das Elterntraining zu beginnen

Ist eine so frühe Therapie für mein Kind sinnvoll?
Es ist nachgewiesen, dass ein Teil der Late-Talker später spezifische Sprachentwicklungsstörungen (Aussprachestörungen, Wortschatzprobleme und/oder einen Dysgrammatismus) aufweisen. Diese gehen später oft mit Problemen im Schriftspracherwerb (Lesen und Schreiben) einher.
Mit einer frühzeitigen Therapieaufnahme kann das Ausmaß einer Sprachstörung erheblich eingeschränkt werden. In bestimmten Altersphasen ist unser Gehirn besonders empfänglich für den Erwerb spezifischer Strukturen. Später ist der Erwerb natürlich noch möglich, er ist dann aber sehr erschwert und er benötigt mehr Zeit.
Es ist daher wichtig, die Notwendigkeit einer frühen Intervention mit Augenmaß zu erkennen und die richtige Entscheidung zu treffen.

  • Störung der Sprachentwicklung bei Mehrsprachigkeit
  • Lippen-Kiefer-Gaumenspalten
  • Näseln
  • Myofunktionelle Störungen

5. Myofunktionelle Störungen

  • Störungen im Bewegungsablauf von Lippen und Zunge
  • Kau- und Schluckstörungen

Ursachen und Auswirkungen:

  • Mundatmung- Ursachen können Mandeln und Polypen im Nasen-Rachenraum, immer wieder auftretenden Erkältungen, Mittelohrentzündungen und / oder einer schiefen Nasenscheidewand sein. Bei einer Verlagerung von der Nasenatmung zur ständigen Mundatmung fehlt der vollständige Mundschluss. Folgen der Mundatmung können ein vermehrter Speichelfluss, eine verminderte Muskelkraft von Lippen, Wangen und Zunge sein.
  • Schlaffe Mundmuskulatur, abweichende Zungenruhelage und Schluckweise
  • Zahnfehlstellungen
  • Folgen einer myofunktionellen Störung:
    • Artikulationsstörungen
    • Mittelohrentzündungen / Atemwegsinfektionen
    • Schwierigkeiten in der auditiven Wahrnehmung
    • Sprachentwicklungsverzögerung

Myofunktionelle Störungen werden häufig begleitend zu einer Artikulationstherapie und/oder zu einer kieferorthopädischen Behandlung verschrieben.