12.01.2017

Legasthenie / Dyskalkulie

Legasthenie / LRS – Information für Eltern

Schulfrust anstatt Schullust? Ihr begabtes Kind hat Schwierigkeiten beim Lesen oder Schreiben? Trotz vermehrten Übens bleibt es bei vielen Fehlern?

Legasthenie oder LRS könnte der Grund sein!

LRS: Lese-Rechtschreibschwäche
LEGASTHENIE (griechisch): LEGEIN = sprechen, lesen, schreiben, auslegen
ASTHENEIA = Schwäche

International wird Legasthenie als „Entwicklungsstörung des Lesens und Schreibens“ definiert. In Deutschland werden die Begrifflichkeiten Legasthenie und LRS synonym verwendet. 6-10% der Gesamtbevölkerung sind von einer LRS betroffen.

LRS ist eine Teilleistungsstörung, d.h. das Kind hat bei einer durchschnittlichen oder überdurchschnittlichen allgemeinen Begabung ausschließlich in den Bereichen Lesen und/ oder Schreiben große Schwierigkeiten.

Ursachen

Die Ursachen einer LRS können vielfältig sein und sind bis heute nicht abschließend geklärt. Genetische Ursachen konnten wissenschaftlich nachgewiesen werden.

Bei einem Verdacht auf LRS sollte immer ein Augenarzt und ein Ohrenarzt aufgesucht werden, um organische Störungen in den Bereichen Sehen und Hören auszuschließen.

Auffälligkeiten im Schulalter:

  • Buchstabenauslassungen, -vertauschungen und –umstellungen
  • Probleme beim Abschreiben oder beim Aufschreiben von mündlichen Anweisungen
  • Erschwertes Lesenlernen, Ratestrategien, fehlendes Leseverständnis
  • Überdurchschnittlich langer Zeitraum zum Bearbeiten von Schreibaufgaben
  • Unharmonisches Schriftbild
  • Schwierigkeiten in den Wahrnehmungsbereichen (z. B. Merken, Auswendiglernen, Unterscheidung rechts-links)

Unaufmerksamkeit, Clownerie, motorische Unruhe, Frustrationen, mangelndes Selbstvertrauen, Bauchschmerzen, Kopfschmerzen oder Übelkeit sind häufige Begleiterscheinungen. Diese Auffälligkeiten verändern sich trotz vermehrten häuslichen Übens nicht.

Auffälligkeiten im Vorschulalter

Wichtige Vorläuferfunktionen entwickeln sich bereits im Vorschulalter. Voraussetzung für die Entwicklung des Denkens, Lernens und Sprechens ist die Wahrnehmung, d.h. die Aufnahme von Reizen und die Verarbeitung im Gehirn.

LRS-Kinder zeigen im Vorschulalter überdurchschnittlich häufig Wahrnehmungsprobleme sowie Sprachentwicklungsauffälligkeiten.

Häufige sprachliche Auffälligkeiten:

  • Sprachentwicklungsverzögerungen, Sprachentwicklungsstörungen
  • Verzögerter Sprechbeginn, Artikulationsschwierigkeiten, Dyslalie
  • Eingeschränkter Wortschatz
  • Wortfindungsschwierigkeiten (Speicherung und/oder Abruf)
  • Verwendung von ähnlichen oder Ersatzwörtern
  • Verwendung von falschen Bezeichnungen
  • Verwechselung von richtungsweisenden Wörtern
  • Eingeschränktes Sprachverständnis
  • Eingeschränkte auditive Wahrnehmungsleistungen (z. B. Differenzierung von Lauten)
  • Eingeschränkte phonologische Bewusstheit (z. B. Reime, Silben)
  • Probleme beim Erlernen von Kinderliedern

Beeinträchtigungen und Verzögerungen in der sprachlichen Entwicklung und in der Wahrnehmung sollten kinderärztlich abgeklärt werden, so dass wichtige Vorläuferfunktionen, die für das Lesen- und Schreibenlernen notwendig sind, logopädisch und/oder ergotherapeutisch behandelt werden können.

Wegweiser bei Verdacht auf LRS

  • Gespräch mit der Klassenlehrerin
  • IQ-Test bei der Kinderpsychiaterin
  • Beratungsgespräch beim Jugendamt (psychologische Beratungsstelle)
  • Lese-Rechtschreibdiagnostik bei speziell ausgebildeten Fachpersonen (z. B. Logopädin mit Zusatzqualifikation)

Förderung

Es gibt nicht „die“ Legasthenie, deshalb gibt es auch nicht „die“ Therapie. Da jede Legasthenie individuell ist, muss auch das Training individuell auf die Bedürfnisse des Kindes abgestimmt werden. Eine Therapie sollte die Bereiche Aufmerksamkeit/Konzentration, Wahrnehmung und Fehlerbearbeitung/Regelwissen berücksichtigen.

Merkmale eines optimalen außerschulischen Trainings:

  • Fundierte Ausbildung der Therapeutin bzw. Trainerin
  • Adäquate standardisierte und qualitative Diagnostik
  • Einzelförderung, Elternberatungen
  • Ganzheitliches Training
  • Keine vertraglichen Zeitbindungen
  • Geeignete Räumlichkeiten
  • Achtung: Nachhilfe ersetzt keine zielgerichtete Therapie
  • Eine LRS-Therapie dauert durchschnittlich zwei bis drei Jahre.

Logopädische Therapie

Bevor ein Kind eingeschult wird, sollten keine Sprachauffälligkeiten mehr vorhanden sein. Bei bestehenden Problemen sollte das Kind logopädisch diagnostiziert und behandelt werden.

Das Testverfahren BISC (Bielefelder Screening), welches von Logopäden oder speziell ausgebildeten Erziehern im letzten Kindergartenjahr durchgeführt wird, erlaubt eine erste Einschätzung, ob bei einem Kind Risikofaktoren bestehen, aus denen sich eine LRS entwickeln könnte. Darauf aufbauend kann eine gezielte Förderung in der Kindertagesstätte oder bei der Logopädin erfolgen.

Kosten

In bestimmten Fällen übernehmen die Jugendämter nach dem Jugendhilfegesetz (35a SGB VIII) die Kosten der Behandlung.
Die Kosten für eine private Finanzierung sind regional unterschiedlich und schwanken von ca. 200 bis 400 Euro monatlich.

Schulische Hilfen

Die Schule hat die Aufgabe, den Kindern den Schriftspracherwerb zu vermitteln. Bei ihr liegt demzufolge bei auftretenden Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten auch die Verantwortung, individuell zu fördern.

In den Erlassen der einzelnen Bundesländer, die sehr unterschiedlich ausgeprägt sind, kann man sich über die Förderungsmöglichkeiten informieren. Unabhängig davon sollten die Kinder einen Nachteilsausgleich in allen Fächern, in denen Lesen und Schreiben erforderlich ist, erhalten.

Folgende Punkte sollte der Nachteilsausgleich berücksichtigen:

  • Notenschutz (keine Benotung der Lese- und Rechtschreibleistung)
  • Zeitzugaben bei Arbeiten und Prüfungen
  • Leistung mündlich abprüfen
  • Einsatz von Hilfsmitteln wie z.B. Computer mit Fehlerkorrektur

Entwicklung von Kindern mit LRS

Wird die LRS nicht als Ursache für die Lese-Rechtschreibschierigkeiten erkannt, so verstärken sich die ursprünglichen Auswirkungen der Teilleistungsschwäche und die psychischen Folgeerscheinungen gegenseitig. Ein Teufelskreis kann entstehen. Es können starke Selbstzweifel auftreten, das Selbstwertgefühl kann sinken, und das Kind fühlt sich dauerhaft isoliert; seine emotionalen, sozialen und kognitiven Begabungen verkümmern. Auch in anderen Schulfächern verschlechtern sich die Leistungen, denn lesen und schreiben muss man auch in naturwissenschaftlichen Fächern. Das kann dazu führen, dass ein Kind nicht den zu seinen Begabungen passenden Schulabschluss erreicht. In zahlreichen Studien konnte nachgewiesen werden, dass eine nicht behandelte LRS auch bis ins Erwachsenenalter bestehen bleibt.

Berühmte Legastheniker

Dass eine LRS nichts mit der kognitiven oder kreativen Intelligenz eines Menschen zu tun hat, zeigt die Liste der Persönlichkeiten, die davon betroffen sind: Albert Einstein, Alfred Hitchcock, Ernest Hemingway, Francois Mitterrand, Tom Cruise, Michael Jackson, Diego Maradona, Leonardo da Vinci, Agatha Christie, Hans Christian Anderson, George W. Bush, Victoria von Schweden, Whoopi Goldberg, Steven Spielberg, Dustin Hoffman, Walt Disney, Franklin D. Roosevelt, John Lennon, Steven Hawkins, Charles Darwin, Napoleon Bonaparte

Links

Autorin: Kerstin Winterboer (dbl) Stand: Dezember 2010

Rechenschwäche / Dyskalkulie – Information für Eltern

Schulfrust anstatt Schullust? Ihr begabtes Kind hat Schwierigkeiten beim Rechnen? Trotz vermehrten Übens bleibt es bei vielen Fehlern?
Rechenschwäche oder Dyskalkulie könnte der Grund sein!

Dyskalkulie (griechisch): DYS = schwierig, schwer;
KALKULIE = (be)rechnen, in Erwägung ziehen, überlegen

Dyskalkulie wird als „Entwicklungsverzögerung des mathematischen Denkens“ definiert und beschreibt Beeinträchtigungen von Rechenfertigkeiten, die nicht durch eine Intelligenzminderung oder unangemessene Beschulung erklärbar sind. Das Defizit betrifft die Beherrschung grundlegender Rechenfertigkeiten wie Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division (weniger die höheren mathematischen Fertigkeiten).
In Deutschland werden die Begrifflichkeiten Dyskalkulie und Rechenschwäche synonym verwendet. Ca. 4-6 % der Gesamtbevölkerung sind von einer Rechenschwäche betroffen.
Dyskalkulie ist eine Teilleistungsstörung, d.h. das Kind hat bei einer durchschnittlichen oder überdurchschnittlichen allgemeinen Begabung ausschließlich in den mathematischen Bereichen große Schwierigkeiten.

Ursachen

Die Ursachen einer Dyskalkulie können vielfältig sein und sind bis heute nicht abschließend geklärt.

Auffälligkeiten im Schulalter:

  • Häusliches Üben bringt keinerlei Verbesserung
  • Probleme mit Zahlen und Mengen (erschwertes Zählen und Mengeneinschätzen, permanentes „Fingerzählen“)
  • Verwechslungen der Rechenarten Plus, Minus, Mal und Geteilt
  • Zahlen werden häufig verdreht und vertauscht (53 – 35), später werden Zahlen im Stellenwertsystem vertauscht (z.B. Hunderter und Tausender)
  • Lautgetreue Verschriftlichung von Zahlen, z.B. fünfhundertdreißig = 50030
  • Schwierigkeiten bei Zehnerübergängen
  • Ratestrategien, fehlendes Zahlenverständnis, unlogische Ergebnisse werden vom Betroffenen nicht bemerkt
  • Überdurchschnittlich langer Zeitraum zum Bearbeiten von Rechenaufgaben
  • Rechnen mit Maßeinheiten bereitet große Schwierigkeiten (Geld, Uhrzeit, Gewicht, Längenmaße)
  • Schwierigkeiten bei Textaufgaben • Schwierigkeiten in den Wahrnehmungsbereichen (z. B. Merken)
  • Unterscheidung von rechts und links

Unaufmerksamkeit, Clownerie, motorische Unruhe, Frustrationen, mangelndes Selbstvertrauen, Bauchschmerzen, Kopfschmerzen oder Übelkeit sind häufige Begleiterscheinungen. Diese Auffälligkeiten verändern sich trotz vermehrten häuslichen Übens nicht.

Auffälligkeiten im Vorschulalter

Wichtige Vorläuferfunktionen entwickeln sich bereits im Vorschulalter.

Exkurs:

Meilensteine der frühen mathematischen Entwicklung (nach Krajewski, 2007)

1. Entwicklung von Basisfertigkeiten: Mengen können ab dem Säuglingsalter nach Ausdehnung und Volumen unterschieden werden. Davon isoliert erlernen Kinder ab dem Kleinkindalter das Zählen. Zählen, Zahlen und Mengen werden noch nicht miteinander in Verbindung gebracht.

2. Zahlen werden mit Mengen verknüpft bewusst (Anzahlkonzept):
2.a) „ungenaues Anzahlkonzept“: Kinder im Kindergartenalter verstehen zunächst, dass einige Zahlen für „wenig“, andere Zahlen für „viel“ und wieder andere Zahlen für „sehr viel“ stehen. Eng beieinander liegende Zahlen können dabei nicht miteinander verglichen werden, da sie demselben Mengenbegriff zugeordnet werden (z. B. sowohl 15 als auch 17 sind „viel“).
2.b) „genaues Anzahlkonzept“: Erst später können Anzahlen in eine exakte Reihenfolge gebracht und auch unmittelbar folgende Zahlen miteinander verglichen werden (z.B. 15 sind weniger als 16)

3. Relationen zwischen Mengen und Zahlen werden miteinander verknüpft (Anzahlrelationen): Ältere Kindergartenkinder entwickeln ein Verständnis dafür, dass von einer zur nächsten Zahl eins dazukommt (fünf ist eins mehr als vier) und das Teil-GanzesBeziehungen von Mengen (alle – einige) auch mit Zahlen dargestellt werden können (fünf kann aufgeteilt werden in zwei und drei).

Bevor ein Kind eingeschult wird, sollte es folgende mathematische Meilensteine realisieren können:

  • Basale Leistungen: u.a. visuelle und taktil-kinästhetische Wahrnehmungsleistungen, räumliche Beziehungen
  • Grundrechenarten: Vor- und Rückwärtszählen, Bestimmung des Vor- und Nachfolgers einer Zahl, Eins zu Eins Zuordnung, Mengenbestimmung und Mengenvergleich (Verknüpfungen zwischen Zahlen und Mengen), Verständnis der Rechenoperationen Addition und Subtraktion
  • Geometrie: Analysieren und Vergleichen von mehrdimensionalen Körpern, Raum- und Lagebeziehungen, Erkennen von symmetrischen Figuren
  • Größen: Erkennen und Vergleichen von verschiedenen Größen (Längen, Gewichte, Zeit, Geld, Flächen usw.)
  • Muster- und Folgen: Erkennung und Fortsetzung von Mustern / Reihenfolgen

Wegweiser bei Verdacht auf Dyskalkulie

  • Gespräch mit der Klassenlehrerin
  • IQ-Test bei der Kinderpsychiaterin
  • Beratungsgespräch beim Jugendamt (psychologische Beratungsstelle)
  • Dyskalkuliediagnostik bei speziell ausgebildeten Fachpersonen

Förderung

Es gibt nicht „die“ Dyskalkulie, deshalb gibt es auch nicht „die“ Therapie. Da jede Dyskalkulie individuell ist, muss auch das Training individuell auf die Bedürfnisse des Kindes abgestimmt werden. Eine Therapie sollte die Bereiche Aufmerksamkeit / Konzentration, Wahrnehmung und Fehlerbearbeitung / Regelwissen / Strategien berücksichtigen.

Merkmale eines optimalen außerschulischen Trainings

  • Fundierte Ausbildung der Therapeutin bzw. Trainerin
  • Adäquate standardisierte und qualitative Diagnostik
  • Einzelförderung, Elternberatungen
  • Ganzheitliches, entwicklungsorientiertes Rechentraining
  • Keine vertraglichen Zeitbindungen
  • Geeignete Räumlichkeiten
  • Achtung: Nachhilfe ersetzt keine zielgerichtete Therapie
  • Eine Dyskalkulie- Förderung dauert durchschnittlich zwei bis drei Jahre.

Logopädische Therapie

Bevor ein Kind eingeschult wird, sollten keine Sprachauffälligkeiten mehr vorhanden sein. Insbesondere sollten das Sprachverständnis und der Wortschatz altersgemäß sein, z.B. müssen Textaufgaben zunächst sprachlich verstanden werden, um folgend die Rechenaufgabe angemessen lösen zu können.
Bei bestehenden Problemen sollte das Kind logopädisch diagnostiziert und behandelt werden.

Kosten

In bestimmten Fällen übernehmen die Jugendämter nach dem Jugendhilfegesetz (35a SGB VIII) die Kosten der Behandlung.
Die Kosten für eine private Finanzierung sind regional unterschiedlich und schwanken von ca. 200 bis 400 Euro monatlich.

Schulische Hilfen

Die Schule hat die Aufgabe, den Kindern das Rechnen zu vermitteln. Bei ihr liegt demzufolge bei auftretenden Rechenschwierigkeiten auch die Verantwortung individuell zu fördern.
In den Erlassen der einzelnen Bundesländer, die sehr unterschiedlich ausgeprägt sind, kann man sich über die Förderungsmöglichkeiten informieren. Unabhängig davon sollten die Kinder einen Nachteilsausgleich erhalten.

Folgende Punkte sollte der Nachteilsausgleich berücksichtigen:

  • Notenschutz (keine Benotung der Rechenleistungen)
  • Zeitzugaben bei Arbeiten und Prüfungen
  • Leistung mündlich abprüfen

Entwicklung von Kindern mit Dyskalkulie

Werden die Auffälligkeiten nicht als Ursache für die mathematischen Schwierigkeiten erkannt, so verstärken sich die ursprünglichen Auswirkungen der Teilleistungsschwäche und die psychischen Folgeerscheinungen gegenseitig. Ein Teufelskreis kann entstehen. Es können starke Selbstzweifel auftreten, das Selbstwertgefühl kann sinken, und das Kind fühlt sich dauerhaft isoliert; seine emotionalen, sozialen und kognitiven Begabungen verkümmern. Das kann dazu führen, dass ein Kind nicht den zu seinen Begabungen passenden Schulabschluss erreicht. In zahlreichen Studien konnte nachgewiesen werden, dass eine nicht behandelte Rechenschwäche auch bis ins Erwachsenenalter bestehen bleibt.

Links

Autorin: Kerstin Winterboer (dbl) Stand: Oktober 2011